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Archivpflege: Das Gedächtnis der Gemeinden

Archivpflege: Das Gedächtnis der Gemeinden

Von: sdo

Fein säuberlich geordnet und katalogisiert hat Altbürgermeister Eduard Haug das Legauer Gemeindearchiv. Als Kreisarchivpfleger gibt er auch anderen Unterallgäuer Gemeinden wertvolle Tipps, auf was es bei einem guten Archiv ankommt.	Foto: Stefanie Dodel

Fein säuberlich beschriftet stehen die 79 grauen Kartons im Regal. „Archiv Legau“, „Archiv Maria Steinbach“ und eine fortlaufende Nummer - mehr ist nicht darauf zu lesen. Hinter der schlichten Fassade verbirgt sich jedoch ein wahrer Schatz: das Gedächtnis der Marktgemeinde. Aus dem Jahr 1738 stammt die älteste Aufzeichnung, die im Legauer Gemeindearchiv aufbewahrt wird. Dass das Archiv heute derart gut geordnet ist, hat der Markt vor allem einem zu verdanken: Altbürgermeister Eduard Haug. Unzählige Stunden hat er vor allem seit seinem Ruhestand im Archiv verbracht. Seit dem Jahr 2005 versucht Haug zudem, als einer von zwei Kreisarchivpflegern auch andere Unterallgäuer Gemeinden von der Bedeutung eines geordneten Archivs zu überzeugen - was nicht immer ganz einfach ist.

Aktuell haben etwa ein Viertel der 52 Unterallgäuer Gemeinden ein Archiv, das diesen Namen auch wirklich verdient. Und so sind Eduard Haug und Wilhelm Predeschly als Kreisarchivpfleger fast missionarisch tätig. Alle zwei Jahre, dieses Ziel haben sie sich gesetzt, möchten sie sich in jeder Gemeinde ein Bild der aktuellen Lage machen - Haug im westlichen Teil des Landkreises, Predeschly im östlichen. Trotz ihrer Bemühungen besteht das Archiv vieler Gemeinden bis heute lediglich aus einem kleinen Kämmerchen, in das einfach alles gelegt wird, was doch irgendwie zu schade zum Wegwerfen zu sein scheint. Dass es viel Arbeit ist, Ordnung in diese unsortierten Blätterberge zu bringen, dass dafür viel Wissen und noch mehr Zeit nötig sind, ist Haug und Predeschly nur zu bewusst.

Auch in Legau sah es schließlich über Jahrzehnte nicht anders aus: Was heute fein säuberlich sortiert und katalogisiert in säurefreien Kartons lagert, fristete über viele, viele Jahre ein unwürdiges Dasein im heillosen Durcheinander eines Kämmerchens auf dem Dachboden des Legauer Rathauses. Dicke braune Fußabdrücke auf alten Sitzungsprotokollen sind die letzten Zeugen davon, welchen Stellenwert die Dokumente einst hatten. Bis Haug während seiner Zeit als Bürgermeister damit begann, erste Ordnung in das Chaos zu bringen. Seit seinem Ruhestand widmete der fast 80-Jährige den Unterlagen weitere unzählige ehrenamtliche Arbeitsstunden - er nahm jedes Blatt einzeln zur Hand, sortierte, trennte Wichtiges vom Unwichtigen, fasste Inhalte zusammen, legte eine umfassende Übersicht an, die auf dem so genannten „Einheitsaktenplan“ basiert. Dieser Einheitsaktenplan ermöglicht eine systematische Ordnung des gesamten Schriftgutes - und hilft später dabei, aus den vielen Kartons das gesuchte Schriftstück mit einem Handgriff wieder zu finden.

Für Schüler und Studenten, aber auch für Heimat- und Ahnenforscher ist dies von unschätzbarem Wert: Was sie suchen, findet der Leiter eines guten Archivs innerhalb weniger Minuten. Es gehe schließlich nicht darum, Unterlagen zu horten, sondern Wissen weiterzugeben, betont Haug: „Nur so bleibt es lebendig.“ Aus diesem Grund sollten nach Meinung des Kreisarchivpflegers auch private Sammlungen interessanter alter Schriftstücke und Bilder, die Zeugnis vom Leben in einer Gemeinde sind, rechtzeitig an das Gemeindearchiv übergeben werden. „Wenn es die nächste Generation nicht wegwirft, dann eben die übernächste“, ist Haug überzeugt.

Den Schlüssel für das Legauer Gemeindearchiv hat Haug jetzt an Bürgermeister Franz Abele übergeben. „Wir übernehmen einen wahren Schatz“, bedankte sich Abele bei ihm. Künftig werden Ulrike Wiest und Reinhold Zeller das Legauer Gemeindearchiv fortführen. Haugs Arbeit ist damit in Legau offiziell abgeschlossen. In anderen Gemeinden des Landkreises warten aber noch zahlreiche, hunderte Jahre alte Aktenberge auf den Kreisarchivpfleger und diejenigen, die er dazu motivieren kann, diese fein säuberlich zu sortieren, zu katalogisieren und damit das Gedächtnis der Gemeinde zu erhalten.

Inhalt zuletzt aktualisiert am: 04.07.2024