Silbern glänzend liegt das Arztbesteck auf dem Tisch. An der Wand ist ein Holzregal befestigt, auf dem - fein säuberlich beschriftet - viele kleine braune Fläschchen stehen. Im Nebenraum des ehemaligen Baderhauses in Wiedergeltingen ist ein Teil der Decke freigelegt, an den Wänden kommt hinter einem Stück abgelöster 50er-Jahre-Tapete eine Schablonenmalerei in Pastelltönen zum Vorschein. „Gehen sie die Sache vorsichtig an“, rät Peter Kern Hubert Schöner und Bürgermeister Michael Schulz, die das Gebäude sanieren möchten. Sie haben den Kreisheimatpfleger und seine beiden Kollegen Peter Hartmann und Christian Schedler durch das Gebäude geführt.
In regelmäßigen Abständen wollen die drei Kreisheimatpfleger und ihre Kollegin Monika Zeller künftig die Unterallgäuer Gemeinden besuchen und den Verantwortlichen ihren Rat anbieten - egal ob es um den Umgang mit Bau- oder Bodendenkmälern, um Kulturgüter oder um Brauchtumsfragen geht. Den Anfang hat jetzt Wiedergeltingen gemacht. Dort hat die Gemeinde das ehemalige Baderhaus in der Ortsmitte erworben. Die Tenne wird bereits als Unterstell-Möglichkeit für den gemeindlichen Bauhof genutzt, ein Raum soll künftig für soziale Notfälle zur Verfügung stehen. Vor allem aber soll das Haus bald ein Stück Lokalgeschichte für die Wiedergeltinger Kinder erlebbar machen: Über Jahrhunderte lebte und arbeitete dort der örtliche Bader, er versorgte Wunden, richtete Brüche, er schröpfte und bat zum Aderlass, er zog Zähne, und war Anlaufstelle für die Körperpflege der Bürger. In den vergangenen Monaten haben die Nachfahren des letzten Baders, das Ehepaar Auerbacher, den gesamten Nachlass gesichtet und sich eingehend mit alten Urkunden, Zeugnissen, Büchern und Bildern befasst. Zimmerer und Geschichtsfreund Hubert Schöner hat sich mit Unterstützung der Gemeinde daran gemacht, das Baderhaus herzurichten und gleichzeitig seine über Jahre zusammengetragene Sammlung von typischen Utensilien eines Baders aufbereitet. Jetzt interessieren er und Bürgermeister Schulz sich für die Meinung der Kreisheimatpfleger und möchten Tipps für die Umsetzung ihrer Ideen.
So rät Peter Kern als Experte für Baudenkmäler den engagierten Wiedergeltingern beispielsweise, die Tapeten vorsichtig und vollständig abzulösen. „Das ist nicht nur eine Frage der originalgetreuen Optik, sondern ist auch bauphysikalisch sehr wichtig“, sagt er. „So kann die Wand wieder atmen.“ Für wichtig hält er es auch, die Fenster des um 1800 erbauten Hauses wieder in ihren Originalzustand zu versetzen und deshalb Holzfenster mit Sprossen einzubauen. Kreisheimatpfleger Christian Schedler als absoluter Fachmann in den Bereichen Museen, Sammlungen und Ausstellungen empfiehlt der Gemeinde, nicht die Original-Bücher aus dem Nachlass auszustellen, sondern stattdessen ausgewählte Seiten zu kopieren und dann zu zeigen. So könnten die Bücher geschützt und besser erhalten werden.
Kern, Schedler und ihr Heimatpflege-Kollege Peter Hartmann bestärken die Gemeinde in ihrem Vorhaben. „Das Projekt ist wirklich hochinteressant. Sie machen damit ein Stück Sozialgeschichte erlebbar und veranschaulichen die frühere ärztliche Versorgung auf dem Land.“ In den kommenden Monaten planen die Kreisheimatpfleger mit ihrer Kollegin Monika Zeller weitere Gemeindebesuche. „Wir wollen den Gemeinden und den Unterallgäuer Bürgern unsere Kenntnisse zur Verfügung stellen“, sagt Schedler. „Sie können sich mit allen Fragen zur Heimatpflege an uns wenden - ob es um Fachfragen geht oder etwa um die richtige Vorgehensweise beim Beantragen von Zuschüssen“, betont Kern.
Info: Kontakt mit den vier Kreisheimatpflegern Peter Kern, Peter Hartmann, Christian Schedler und Monika Zeller kann man über das Landratsamt, Telefon (08261) 995-285, aufnehmen.